E10-IRRSINN
MINERALÖL-KONZERNE FAHREN DIE PRODUKTION DES SUPER-KRAFTSTOFFS MIT WENIGER BIO-ANTEIL HOCH
29.03.2011 15:35 Uhr
Der ersten Mineralöl-Konzerne rudern zurück.
Weil keiner die Öko-Plörre E10 tankt, haben Total und die Deutsche BP die Produktion des herkömmlichen Super-Kraftstoffs wieder hochgefahren.
„Wir passen uns dem aktuellen Verbraucherverhalten an”, sagte ein Total-Sprecher der Berliner Zeitung „Tagesspiegel“.
Das Unternehmen will E10 aber nicht vom Markt nehmen.
90 Prozent der Autos mit Benzin-Motor hatten das alte Super getankt. Die Mineralölkonzerne hatten sich darauf eingestellt, dass E10 (zehn Prozent Bioethanol-Anteil) das alte Super mit fünf Prozent Bioethanol-Anteil (E5) eins zu eins ablöst.
Doch die Autofahrer tanken nicht so wie erhofft. „Bei Weitem nicht“, bestätigte auch eine Esso-Sprecherin BILD.de.
Einige freie Tankstellen-Pächter und kleinere Ketten wie Sun haben schon reagiert, werben seit Tagen wieder damit, Super zu verkaufen.
Jetzt zieht die Öl-Industrie nach.
In der Total-Raffinerie Leuna wird wieder mehr Super-Kraftstoff produziert. „Wir können kein E10 auf Halde produzieren”, sagte ein Total-Sprecher. Es könne nicht sein, dass das Unternehmen rote Zahlen schreibe, weil eine bestimmte Richtlinie gesetzlich erfüllt werden müsse.
Die Deutsche BP produziere bereits seit Wochen weniger Öko-Sprit. „Wir haben die Produktion gedrosselt, weil wir förmlich drauf sitzen“, sagte ein Konzern-Sprecher.
In der Raffinerie in Schwedt, an der neben Total und BP auch Shell beteiligt ist, sei ebenfalls schon vor Wochen die Produktion umgestellt worden. „Weil die Ware nicht abgeholt wurde“, begründete eine Raffinerie-Sprecherin. Mehrere Konzerne hätten das in Auftrag gegeben, sagte sie, ohne konkrete Firmen zu nennen.
Der Automobilclub ADAC begrüßt den Richtungswechsel. Verkehrsexperte Andreas Hölzel: „Wenn ein Produkt keine Akzeptanz findet bei den Verbrauchern, dann muss ich mir überlegen - was mach ich? Und dann muss ich das andere Produkt, was ja offensichtlich gewollt ist, wieder bringen.”
Doch dieser Richtungswechsel wird teuer werden.
Der finanzielle Schaden der Branche geht laut Shell-Deutschlandchef Peter Blauwhoff in die dreistellige Millionenhöhe, weil die Konzerne für die geringe E10-Nachfrage auch noch Strafe zahlen müssen. Bis zum Jahresende sollte der Anteil von Bioethanol im Kraftstoff durchschnittlich bei 6,25 Prozent liegen.
Weil kaum ein Autofahrer die Öko-Plörre tankt, „werden wir die von der Bundesregierung gesetzlich vorgegebene Bioquote beim besten Willen nicht erfüllen können”, bestätigte auch der Total-Sprecher.
GARANTIEN SOLLEN AUTOFAHRER ÜBERZEUGEN
Dabei wird viel getan, um den Autofahrer für E10 zu gewinnen.
Die deutschen Autobauer garantieren für die Biosprit-Verträglichkeit ihrer Fahrzeuge.
Shell bietet eine kostenfreie Versicherung gegen mögliche E10-Schäden an.
Ein ADAC-Sprecher bezeichnete diese Aktion als Marketing-Gag: Die Autofahrer müssen demnach zu 80 Prozent bei Shell tanken, sonst erlischt der Versicherungsschutz.
Für den Nachweis der Shell-Treue müssen die Tankquittungen aufbewahrt werden.
Auch über den Preis wollte man den Kunden ködern: Der Mineralölwirtschaftsverband forderte einen reduzierten Steuersatz für die Öko-Plörre. Der Vorschlag, die Energiesteuer um zwei Cent zu senken, fand im Finanzministerium allerdings keine Zustimmung.